Wie viel Volumen ist wirklich nötig?
Mehr Muskeln durch mehr Volumen Training oder ist weniger manchmal mehr?
Die Frage nach dem Gesamtvolumen des Trainings scheidet seit Jahrzehnten die Geister. Während die einen sich auf Arnold und sein hochvolumiges Training beziehen, eifern die anderen den Mentzer-Brüdern oder Dorian Yates und deren volumenarmes Hochintensitätstraining hinterher. Doch welcher Weg ist der überlegene?
Der legendäre Vince Grionda schwörte mit seinem 8×8-Training auf hohes Volumen und verhältnismäßig niedrige Gewichte. Er vertrat die Auffassung, dass zu schweres Training den Fokus weg von der Zielmuskulatur hin zur Einbeziehung aller möglichen weiteren Muskeln verlagere, um das aufgelegte Gewicht irgendwie zu bewältigen. Ein gezieltes Aufbauen bestimmter Muskelgruppen oder -regionen werde dadurch verhindert. Ganz anders sah das Arthur Jones, ein amerikanischer Unternehmer, der basierend auf seinen Beobachtungen als Großwildjäger die Theorie vertrat, dass die Ausprägung der Muskulatur positiv mit der Kürze und Intensität der Belastung korreliere.
Was ist eigentlich hochvolumiges Training?
Bevor man sich mit der Frage beschäftigt, wer denn nun Recht hat, Arnold oder die Mentzers, Gironda oder Jones, sollte man definieren, was überhaupt unter hoch- und niedrigvolumigem Training zu verstehen ist. Eine derartige Definition findet sich bei Heiduk et. al (2002), der zwischen niedrigvolumigem Training, das durch sein „geringes Trainingsvolumen von ein bis zwei Sätzen pro Übung bis zur Muskelerschöpfung“ und hochvolumigem Training, welches durch sein „hohes Trainingsvolumen bei mindestens drei Sätzen pro Übung bis zur Muskelerschöpfung“ unterscheidet. Auf Basis dieser Grundannahmen wurden viele Definitionsversuche gemacht, unter anderem die von Lamprecht aus dem Jahr 2008:
„Das geringvolumige Krafttraining ist charakterisiert durch ein bis zwei Sätze pro Übung, wobei pro Muskelgruppe mehrere Übungen durchgeführt werden können.“
Was bringt unsere Muskeln zum Wachsen?
Bevor man nun überlegt, welche Methode überlegen ist, um Muskeln aufzubauen, sollte man sich einmal genauer anschauen, wie das mit dem Muskelaufbau so abläuft. Dabei sind grundsätzlich zwei Wege zu berücksichtigen, der sogenannte mechanische pathway über MAPKp3, der häufig auch als sarkomere Hypertrophie bezeichnet wird und der metabolische pathway über MAPKerk1/2, den man auch unter der Bezeichnung sarkoplasmatische Hypertrophie kennt.
Bei letzterem geht es um das entstehende Sauerstoffdefizit, die daraus resultierende Bildung von Laktat und reaktiven Sauerstoffspezies und die entstehende Veränderung des pH-Wertes. Heute geht man davon aus, dass auf diesem Weg oxidative Kapazität der Muskulatur erhöht wird.
Der größte Teil der Hypertrophie ist laut gängiger Studienmeinung dem mechanischen Pathway zuzuschreiben. Hypertrophie beruht demnach darauf, dass Mikrotraumata für eine Aktivierung der Satelittenzellenkaskade entsprechend des Gleit-Filament-Modells sorgen. Vereinfacht ausgedrückt sorgt eine schwere mechanische Belastung für eine Fusionierung von Satelittenzellen in der Muskelzelle, wodurch deren Gesamtmenge an DNA und damit das Hypertrophiepotenzial steigt.
Für den mechanischen pathway ist letztlich die Intensität der einwirkenden Belastung relevant. Ein intensives Einsatztraining kann daher also sehr gut geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen. Dafür wird der metabolische Faktor weitgehend ignoriert, denn diese Effekte erfordern ein deutlich höheres Gesamtvolumen.
Nun ist all das blanke Theorie. Spannend ist natürlich die Frage, wie sich das effektiv auf das Training auswirkt.
Die Studienlage
In der Literatur dominierte lange Zeit die Empfehlung des Mehrsatztrainings, ohne dass dies jedoch ernsthaft begründet wurde. Erst in den letzten zwanzig Jahren rückte die Erforschung der Effektivität beider Methoden mehr in den wissenschaftlichen Fokus. Wie so oft in der Wissenschaft sind die Ergebnisse nicht einheitlich, jedoch lassen sich klare Tendenzen ablesen. Für Trainingsanfänger beschreiben unter anderem Wolfe et al. (2004), Ronnestad et al. (2007) und Humburg et al. (2007) keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen. Für fortgeschrittene Athleten wird von Schlumberger et al. (2001), Rhea et al. (2002) und Wolfe et al. (2004) von einer Überlegenheit des Mehrsatztrainings ausgegangen.
Fazit: Es ist schwierig!
Rein von der Studienlage ausgehend müsste man also festhalten, dass ein Mehrsatztraining und damit verbunden ein höheres Volumen grundsätzlich dem Einsatztraining und damit verbunden einem geringeren Volumen überlegen ist, wenngleich dies sich nicht direkt logisch aus den zugrundeliegenden Mechanismen im Körper erklären lässt, bzw. Langzeiteffekte in diesen Studien nicht immer sichtbar werden. So erfordert ein hochintensives Training beispielsweise eine deutlich geringere Trainingsfrequenz, um eine ausreichende Regeneration zu ermöglichen. Daher ist eine Überlegenheit von volumenreicherem Training zumindest auf kurze Sicht erklärbar, da die Frequenz der Trainingsreize deutlich höher ist.
Die wissenschaftliche Debatte kann man für die Praxis im Gym jedoch getrost vergessen. Denn eines ist sicher: Egal welche Erkenntnisse die Forscher zu Tage fördern, für einen selbst ist das System überlegen, das einem am besten liegt. Hochintensives Training erfordert beispielweise nicht nur eine enorme körperliche Härte, sondern ist auch psychisch sehr anspruchsvoll. Wer die notwendige Intensität aufbringen kann, der fährt vielleicht mit einem solchen Training besser als mit einem hochvolumigen Training. Anderen geht bei diesem reduzierten Ansatz der Spaß am Training ab. Daher ist es deutlich wichtiger, sich mit den eigenen Bedürfnissen und Möglichkeiten auseinanderzusetzen als mit wissenschaftlichen Studien, vor allem dann, wenn es sich beim Training um ein Hobby handelt.
Eine finale Antwort auf die einleitende Frage kann es also nur bedingt geben. Ein Einsatztraining mit nur wenigen Übungen pro Einheit und einer geringen Trainingsfrequenz kann funktionieren, das hat beispielsweise Dorian Yates eindrucksvoll bewiesen. Und mehr bringt nicht immer mehr, das beweisen Millionen Menschen tagein tagaus in den Gyms dieser Welt. Das Positive an dieser Nachricht: Man darf selbst auf Entdeckungsreise gehen und das individuelle optimale Volumen im Selbstversuch herausfinden.
Quellen:
Heiduk, R., Preuß, P. & Steinhöfer, D. (2002). Die optimale Satzzahl im Krafttraining – Einsatz- versus Mehrsatz- Training. Leistungssport, 32 (4), 4-13.
Humburg, H., Baars, H., Schröder, J., Reer, R. & Braumann, K.-M. (2007). 1-set vs. 3-set resistance training: A crossover study. Journal of Strength and Conditioning Research, 21 (2), 578-582.
Lamprecht, T. (2008). Die Annahmen des geringvolumigen Krafttrainings und deren wissenschaftliche Absicherung, unter besonderer Berücksichtigung der Satzzahlproblematik (Doctoral dissertation, uniwien). http://othes.univie.ac.at/2635/
Rhea, M.R. & Alderman, B.L. (2004). A meta- analysis of periodized versus nonperiodized strength and power training programs. Research Quarterly for Exercise and Sport, 75 (4), 413-422.
Ronnestad, B.R., Egeland, W., Kvamme, N.H., Refsnes, P.E., Kasi, F. & Raastadt, T. (2007). Dissimilar effects of one- and three-set strength training on strength and muscle mass gains in upper and lower body in untrained subjects. Journal of Strength and Conditioning Research, 21 (1), 157-163.
Schlummberger, A., Stec, J. & Schmidtbleicher, D. (2001). Single- vs. Multiple set strength training in women. Journal of Strength and Conditioning Research, 15 (3), 284-289.
Wolfe, B.L., LeMura, L.M. & Cole, P.J. (2004). Quantitative analysis of single- vs. multiple-set programs in resistance training. Journal of Strength and Conditioning Research, 18 (1), 35-47.
Autor: Thomas Koch www.ironhealth.de (Lizenzübernahme durch Übertragung Fitnessworld24.net auf Konzelmanns.de